Madhu Einsiedler

Was kann ich in Zeiten der Krise tun?

Es ist Sonntag, die Sonne scheint, ich könnte ausschlafen, aber ich bin nervös, meine Träume waren anstrengend. Ab morgen sind alle Geschäfte geschlossen.
Die Krise, dieser Virenausbruch setzt mir zu.

Ach ja, es sind ja nicht alle Geschäfte geschlossen! Apotheken und alles, das wichtig ist, bleibt ja offen. Genau das passiert, ich vergesse was wirklich Sache ist, der Stress lässt mich Dinge schwärzer sehen, als sie sind.

Ruhig, gelassen, rational – das sollte ich, das sollten wir alle jetzt sein.

Jedoch was ich sehe – wir horten, hamstern, sind nervös, schnell aggressiv. Und ich sehe auch das Gegenteil – totales Ignorieren der Situation, oder eine Fatalität, die mir auch nicht angemessen erscheint.

Angemessen ist hier das Schlüsselwort: als Coach habe ich gelernt danach Ausschau zu halten: sind Gedankenschleifen, sind Verhaltensweisen einer Situation angemessen.

Ich kann von mir sagen – die Gefühle, die mich immer wieder überschwemmen, die mein klares Einschätzen der Situation behindern, sind definitiv nicht angemessen.
Ich bin nervös, grantig, automatisch fahre ich meinen Mann an, hektike in der Wohnung herum, vergesse am Weg, was ich gerade holen wollte, scrolle panisch durch die diversen Onlineseiten oder liege apathisch am Sofa und wälze Weltuntergangsszenarien.

Ich tue zuviel, oder zuwenig, oder etwas, das an der Situation total vorbei geht.

Diese Abwehr-Re-Aktionen gibt es in vielen Schattierungen. Die eine oder andere kennen Sie vielleicht auch von sich oder Bekannten und Freunden:

Grob kann man sie unter dem Fight-Flight-Freeze-Modell zusammenfassen, über das schon viel geschrieben wurde, daher lasse ich es hier aus.

Denn wichtiger ist mir hier und jetzt, dass wir uns aus diesen Mustern gut und wiederholt (denn diese Muster werden gerade jetzt ja durch jede neue Nachricht neu aktiviert) rausholen können, uns selber stabilisieren und selber beruhigen können.

Denn was diese automatischen Abwehrreaktionen halt machen – sie halten uns davon ab, eine angemessene Aktion zu finden.
Wir bleiben eben nicht ruhig, wir können die Situation eben nicht mehr gut einschätzen und wirklich sinnvolle Aktionen setzen.

Daher ist der erste Schritt, den Körper zu beruhigen.

Ja, unsere Gedanken rasen, aber die können wir rasen lassen. Mit denen in eine Diskussion zu gehen, verlagert unsere Re-Aktionen nur auf eine andere, innere Ebene.

Also der Körper.

Der muss als erstes beruhigt werden. Beruhigen heisst, ihn wieder ins Hier und Jetzt bringen. All die Gefühle, Gedanken lösen Stress aus, Kortison steigt und unser Körper aktiviert Energie, rüstet sich für den Säbelzahntiger. Im Hier und Jetzt braucht es aber etwas anderes. Was das sein könnte, können wir nur sehen, wenn der Körper sich wieder entspannt hat.

Daher:

Raus aus dem Kopf, rein in den Körper.

Wie?

Herzkohärentes Atmen.

Ich merke, dass ich mal wieder von einer Virusnachricht zur anderen scrolle – und stoppe.

Ich setze mich aufrecht hin. Ich stelle mir den Timer am Handy auf 10 Minuten, ich lege das Handy weg.
Ich atme bewusst und langsam ein, solange, bis ich bis 10 gezählt habe. Bei 10 angelangt, lasse ich den Atem wieder langsam ausströmen, solange, bis ich wieder runtergezählt bei 0 angelangt bin, dann atme ich wieder langsam ein und zähle dabei wieder bis 10, atme aus und zähle bis 0. Und so weiter.

Und so weiter. 10 Minuten lang.

Ich mache es mindestens drei Mal am Tag bzw. jedesmal wenn ich merke,

  • meine Gedanken laufen mal wieder im Kreis,
  • mein Körper geht grad wieder in den Stressmodus
  • ich tue mal wieder zu viel, zu wenig oder Sinnloses

Diese 10 min sind immer wieder seeehr lang. Daher versuche ich dazu auch bewusst zu spüren, wie meine Fusssohlen den Boden spüren, mein Po den Sessel, mein Rücken die Lehne, wie meine Arme und Hände liegen.

Danach ist mein Körper ruhiger, mein Kopf ruhiger (solange ich nicht nach Gedanken suche). Mein Körper ist wieder im Hier und Jetzt angekommen. Er hat realisiert: kein Säbelzahntiger in der Nähe.

Ich kann wieder erkennen und auch spüren: jetzt gerade, wie ich hier sitze, ist alles in Ordnung:

  • Ich habe eine Wohnung
  • Ich habe genug zu essen (eher zuviel, selbst ohne horten)
  • Ich habe Telefon und Internet und kann mit den mir lieben Menschen in Kontakt treten; und sogar intensiver als sonst, da wir alle jetzt mehr Zeit haben
  • Ich kann jetzt endlich all die Bücher lesen, all die Filme schauen, all das Zeug entrümpeln
  • Ich kann Sport machen – Yoga, Gymnastik, soviel geht in den eigenen vier Wänden
  • Ich kann spazieren gehen, laufen, joggen, ohne mit Menschen in Kontakt zu treten.

Das kann ich mir gerade noch alles vor Augen führen, und dann fangen die ersten Gedanken schon wieder an, mich nervös zu machen, mich zu stressen.

Also wieder von vorne: hinsetzen, langsam einatmen, dabei bis 10 zählen, dann bei 10 anfangen auszuatmen, runterzählen, bei 0 wieder einatmen und wieder bis 10 zählen …
10 Minuten lang. Das schöne ist, dieses Atmen kann ich auch machen, wenn ich mit meinem Hund gehe – und es geht auch, wenn man ohne Hund geht.

Gerade jetzt ist es wichtig, dass wir Menschen unterstützen, die von dieser Krise am härtesten getroffen sind. Das geht jedoch nur, wenn wir uns selber beruhigen und selber stabilisieren können. Dann können wir über Telefon und Video für andere da sein und gemeinsam das Beste aus dieser schwierigen Situation machen.

Wenn Sie das Gefühl haben, Sie tun gerade zu viel, zu wenig oder nicht das für Sie richtige – schicken Sie mir ein Email, wir können uns virtuell via Skype (oder Ähnlichem) treffen oder auch einfach telefonieren.

Ihre Madhu Einsiedler

PS: Mein Hund bekommt grad sehr viel Auslauf…. :)